Vorweg: Die Ricoh GR III ist kein Alleskönner. Sie hat kein besonders lichtstarkes Objektiv. Sie hat kein Schwenk-Display. Sie hat keinen Sucher und keinen eingebauten Blitz. Man kann damit nicht zoomen. Richtig dolles Bokeh bekommt man damit auch nicht hin. Die GR III ist außerdem voll teuer.
Doch wo so mancher (die Mehrheit) obige und weitere Punkte als Kaufabschreckung betrachtet, macht sich die Kamera mit ihrer Kompromisslosigkeit für andere umso interessanter. Für mich ist de GR III inzwischen die Kamera, die ich mit Abstand am meisten nutze.
Es ist eben alles eine Frage der Erwartung. Wer zu lauten Beats tanzen möchte, für den ist Beethoven eine Enttäuschung. Und das vollkommen zurecht. Das sagt aber nichts darüber aus, dass Beethoven eben auch unübertroffene musikalische Meisterwerke geschaffen hat.
RAW-FETISCHISTEN WERDEN BEKEHRT
Was ich sagen will und was sich die/der an der Kamera Interessierte klarmachen sollte:
Die Ricoh GR III ist ein Werkzeug für professionelle Künstler und Freizeit- oder auch Möchtegern-Künstler („ambitionierte Amateure“), die ein ganz bestimmtes Ziel verfolgen und eine ganz bestimmte Ästhetik in ihrer Fotografie wollen. Sie ist optimiert für „Street“-Fotografie, kann aber auch sensationelle Ergebnisse zum Beispiel in der Landschaftsfotografie liefern.
Für RAW-Fetischisten liefert die Kamera zufriedenstellende Dateien, mit denen in Lightroom oder Capture weitergearbeitet werden kann. Ein Haken hier allerdings: Die sehr starke Vignettierung durch das Weitwinkel-Objektiv, die zwar in den JPG-Dateien, nicht jedoch in den RAW-Dateien bereits in der Kamera ausgeglichen wird. Raw-Liebhaber sollten sich also ein entsprechendes Preset basteln, das die Vignettierung ausgleicht.
Die eigentliche Stärke der Ricoh aber sind eben die in vielen Fällen bereits perfekt ausgesteuerten jpg-Bilddateien direkt aus der Kamera und die teilweise sensationellen, weil dezenten und doch zauberhaften, integrierten Filter. Fast schon legendär, zumindest unter Straßenfotografen: „Hard BW“ und „Positive Film“.
Soll heißen: Wer sich eine Ricoh GR III zulegt, kann sich teure (in der Anschaffung/„Miete“ der Programme) und langwierige Bildbearbeitung am Rechner in vielen, ja fast allen Fällen sparen.
Viele Hersteller versprechen das, doch in den allermeisten Kameras ist die integrierte jpg-Entwicklung nur ein Spielzeug, das „Profis“ ohnehin nur belächeln. Vielfach zurecht. Bei der Ricoh ist das anders.
Ich selbst als jahrelanger Lightroom-Nutzer und DSLR-Fotografierer habe es noch immer nicht übers Herz gebracht, die Raw-Funktion in der Ricoh endgültig abzuschalten. Ich habe ganze Festplatten und Cloud-Ordner voller Raw-Dateien, die irgendjemand einmal erben und dann nichts damit anzufangen wissen wird.
KLEIN UND SCHNELL – HARMONIERT MIT DEM SMARTPHONE
Gebraucht habe ich die Ricoh-Raws bisher aber nicht. Echt nicht. Nicht zum Nachbelichten, nicht, um sie zu „befiltern“. Die meisten Bilder bearbeite ich inzwischen (Schockschwerenot!), wenn überhaupt, am Smartphone. Und das irgendwo bzw. überall. Im Café, in der Bahn, auf dem Sofa.
Die Bilddateien sind mit der Ricoh-eigenen App oder einer meiner Erfahrung nach etwas übersichtlicheren App aus China („GR Remote Viewer“) in Sekundenschnelle per Wifi auf dem Telefon und können dort mit Snapseed, Lightroom oder welcher App auch immer bearbeitet – oder aufgrund der bereits angesprochenen Qualität sofort irgendwo veröffentlicht werden.
Bei einer echten Auflösung von 6000x4000 in JPG ist da von reinen Instagram-Snapshots keine Rede. Mehr Auflösung tut wirklich nur in ganz, ganz, wenigen Ausnahmefällen Not. Mir fällt für meine Lebens- und Anwendungswirklichkeit keiner ein.
GEWÖHNUNGSBEDÜRFTIGE BRENNWEITE?
Mit umgerechnet 28 Millimetern Brennweite ist die integrierte Linse bei f2.8 auf den ersten Blick keine Sensation. Schon Smartphone-Hersteller werben mit deutlich lichtstärkeren Objektiven.
Doch darauf alleine kommt es eben nicht an. Wenn ich ein Loch in eine Pappe steche, habe ich auch maximale Lichtstärke. Von einem herausragenden Objektiv möchte ich bei meiner so modifizierten Cornflakes-Packung aber dennoch nicht sprechen.
Das Ricoh-Objektiv ist deshalb so stark, weil es erstens über Jahre und Jahrzehnte immer weiter optimiert wurde – und weil zweitens die ganze Kamera um es herum gebaut wurde – nur für dieses eine Objektiv. Das macht viele vermeintliche Schwächen wieder wett. Die Bildqualität der Ricoh GR III kann eine Smartphone-Kamera mit ihren fantastischen, aber eben limitierten, Mini-Linsen aus rein physikalischen Gründen nie, nie, nie erreichen. Ebenso können halbwegs erschwingliche Zoom-Linsen sich mit der Perfektion dieses Ricoh-Glases nicht messen.
Klar, für alle, die lieber auf 35 oder 50mm schießen oder schossen (wie ich), ist die GRIII ein großer Sprung ins Unbekannte. Zunächst fühlt sich die Limitierung, Festlegung, die Kompromisslosigkeit wie ein Hindernis an. Kann ich jetzt noch Menschen oder Gegenstände fotografieren, ohne zu jedem Objekt hinlaufen zu müssen und ihm die Kamera unter die Nase zu halten? Ist Architektur mit geraden Linien bei dem weiten Winkel überhaupt noch ernsthaft abbildbar?
Auf beides lautet die Antwort: Jein. Umdenken ist angesagt. Nachdenken. Denken. Wer sich auf die Kamera einlässt, stellt fest: Die eingerasteten Automatismen beim Fotografieren werden gelöst. Bilder müssen neu komponiert werden. Vorne scharf, hinten unscharf (die Bokeh-Masche) läuft hier nicht, zumindest nicht immer. Bilder müssen neu komponiert werden. Schatten und Licht werden wichtiger als vorne und hinten. Wer sich darauf einlässt, kann sich auf sensationelle Ergebnisse freuen. Und zur Not geht bei der hohen Pixeldichte auch immer ein Crop ganz problemlos. Auch da gilt es, möglicherweise Gewohnheiten oder gar Grundsätze zu brechen.
SCHNELL, UNAUFFÄLLIG, ZUVERLÄSSIG
Dabei ist die Ricoh wahnsinnig schnell. Mit dem „Fixfokus“ kann sogar (und das ist einzigartig!) der durchaus wettbewerbsfähige Autofokus durch das herzhafte Durchdrücken des Auslösers jederzeit überbrückt werden – und die Linse stellt so blitzschnell, quasi während des Auslösens, auf eine vom Nutzer festgelegte Distanz scharf. Für echte Street-Fotografen ist dieses Feature alleine schon Gold wert.
Zudem ist die Kamera, im Vergleich zumal zu Systemkameras, sehr unauffällig. Auch das schätzen die Straßen-Künstler, aber es kommt auch in anderen Situationen gut. Im Museum, bei Festen mit Freunden, auf der Arbeit fuchtelt man den Anderen nicht mehr mit einer riesigen Kamera vor den Gesichtern herum, sondern zückt zwischendurch ganz dezent die kleine Ricoh – und erhält, wenn man sich auf sie eingelassen hat, Ergebnisse, die mit großen Kameras (oder Smartphones) gar nicht möglich wären.
Ricoh schickt übrigens laufend Firmware-Updates heraus, in denen auf Wünsche der Kunden eingegangen wird. Der AF funktioniert somit jetzt in dunklen Situationen besser (noch immer nicht Weltklasse, aber absolut okay und zeitgemäß), und im Allgemeinen gibt es eine sehr enge Bindung zu den „GRisten“ mit regelmäßigen von Ricoh selbst initiierten Treffen. Vor allem in Japan, inzwischen aber auch weltweit. Auch in der Hinsicht bietet Ricoh also besonderes.
KEIN MULTITOOL – UND DOCH IMMER DABEI?
Die Kamera ist also nicht als Multitool ausgelegt und kann deshalb auch nicht mit den meisten anderen Kameras verglichen werden. Warum gilt sie dann vielen doch als die Immer-Dabei-Kamera?
Es ist eine von vielen geteilte Erfahrung, dass es der Qualität der Fotografie selten abträglich, meistens sogar zuträglich ist, wenn die technischen Möglichkeiten eingeschränkt sind. Diesen Weg geht Ricoh mit dieser Kamera konsequent. Wer sich einmal auf die Rahmenbedingungen eingelassen hat, findet in der GR III ein mehr als solides Werkzeug, um bei entsprechendem Talent und/oder Können im Alltag Fotografien in sogenannter „Profiqualität“ zu machen.
In so kompakter Form gibt es in wohl keiner anderen Kamera der Welt so viele Möglichkeiten rund um ein qualitativ herausragendes 28-Millimeter-Objektiv. Das ist Nische – aber das kann was.
Dass die Japaner dafür dann vergleichsweise viel Geld verlangen, liegt daran, dass sie die Möglichkeiten, die sie zulassen, optimieren. In der kleinen Ricoh steckt zum Beispiel ein Bildstabilisator. Haptisch fühlt sich die kleine Kamera einfach gut an. Das Design ist klassisch-schlicht, makellos. Alles ist genau da, wo es sein soll. Zahlreiche kleine Gimmicks wie die Play-Taste, mit der die Kamera aktiviert werden kann, ohne die Linse auszufahren, zeugen davon, dass es eine Fotografen-Kamera ist, keine, die auf Profit entworfen wurde.
ZU TEUER?
Ricoh hat so viele Features und so viel Qualität in der GR II verbaut, dass es einem schon etwas merkwürdig vorkommt, wenn einige sagen, dass 899 Euro dafür zu teuer seien. Sicherlich könnten auf dem Papier ähnliche Spezifikationen für einen geringeren Preis möglich sein. Vergleichen mit dem, was Anbieter wie Leica (bei aller Wertschätzung für die herausragende Qualität) für ihre Produkte verlangen, liegt Ricoh aber noch im deutlich „preiswerten“ Bereich.
Dass der Blitz eingespart wurde bemängeln einige, und sie haben dafür aus ihrer Sicht jeweils natürlich gute Gründe. Doch dass Ricoh die Kamera nochmal kleiner gemacht und zugleich einen Bildstabilisator eingebaut hat, der den riesigen Sensor hinter der Linse „schweben“lässt, gleicht das meiner Meinung nach mehr als aus. Wer vernünftig blitzen will, der legt sich ohnehin ein externes Gerät, zum Beispiel der Firma FlashQ, zu, und bleibt damit noch immer akzeptabel kompakt.
Dass die Kamera keinen Sucher hat, beschäftigt mich schon eher – und ich habe mir schließlich den passenden optischen Sucher dazugekauft. Als ich mich dann schließlich ganz und gar an die kompromisslose GR III gewöhnt hatte, fiel mir allerdings auf, dass ich den Sucher kaum noch nutzte.
Ja, für eine Kamera, die „nur“ gut darin ist, Fotos in einer bestimmten Brennweite zu machen, deren Videofunktion passabel aber nicht weiter erwähnenswert ist (ich nutze sie überhaupt nicht) und die so klein ist, wie sie eben ist, klingen 899 Euro nach viel. Doch, um wie bei Beethoven zu Beginn bei etwas schiefen Bildern zu bleiben, für ein kleines Cabriolet, das seine Sache richtig gut kann und sich dabei noch so verdammt gut anfühlt, sich aber nicht als Familienkutsche mit Ikea-Stauraum eignet, zahlt man eben auch vergleichsweise viel mehr als für den kleinen Kombi-Alleskönner.
FAZIT
Es ist eine Frage der Erwartung, die man an das Gerät hat. Bei mir haben die Erwartungen mit der Leistung übereingestimmt, sie wurden stellenweise sogar übertroffen. Die Ricoh GR III macht gestochen scharfe Bilder, in denen Licht und Schatten klar definiert sind und die schlicht nach Qualität aussehen. Die Farbbilder im „Positive Film“-Modus sind wunderschön – die Schwarzweißbilder direkt aus der Kamera sagenhaft.
Wer keinerlei künstlerische Ambitionen hat, für den ist die GR III die falsche Kamera. Denn auch wenn sie sich für viele als die meistgenutzte Kamera, als die, die man immer dabei hat, herausgestellt hat, verlangt sie dem Fotografierenden ab, sich zumindest einmal grundsätzlich mit dem Thema Fotografie auseinandergesetzt zu haben, um die kompromisslose Einfachheit und Qualität, die die Kamera bietet, voll wertschätzen und ausschöpfen zu können – und somit den Preis zu rechtfertigen.
Warum 5 Sterne? Weil die Kamera für mich und meine Zwecke die beste ist, die ich je hatte und weil sie in allen Punkten meine Erwartungen (über-) erfüllt hat.
POSITIV UND NEGATIV
+ klein
+ leicht
+ schön
+ schnell
+ herausragende direkte jpg-Dateien
+ über Kamera-Generationen hinweg optimiertes Objektiv inkl. Sonnenblende
+ die Kamera ist zu 100% auf das Objektiv ausgerichtet
+ von Fotografen für Fotografen – hat das „gewisse Etwas“
+ integrierter Bildstabilisator
+ Leichte Bedienbarkeit: Gut funktionierende Automatik-Modi sowie umfangreiche Einstellmöglichkeiten
+ viele Tasten lassen sich vom Nutzer nach Wunsch belegen
+/- integrierter Blitz und Sucher fehlen – mich stört es nicht, einige vermissen es
- der „Objektivring“ zum Schutz der Kontakte für ein optionales Vorsteck-Objektiv fällt immer wieder ab. Das hat null Auswirkungen auf die Funktion der Kamera und ich finde, ohne Ring sieht die Kamera sogar fast noch cooler aus. Aber es passt nicht zur ansonsten so makellosen „Wertigkeit“ der Kamera. (Tipp: Uhu hilft ;-) )
- In der ersten Serie gab es Probleme mit locker sitzenden Tasten bzw. einem schiefen Auswahlrad. Das hat Ricoh schnell behoben und man kann die Kamera nach Hamburg schicken, wo das kostenlos repariert wird, sollte man ein Modell aus der frühen Produktion haben. Schade, war ein gefundenes Fressen für Kritiker – hatte aber, wie der Objektivring auch – überhaupt keine Auswirkungen auf die Funktionalität der Kamera.
- Angeblich soll es noch immer eine gewisse Anfälligkeit für Staub auf dem Sensor geben. Ricoh hat zwar jetzt einen Schüttelmechanismus verbaut – der soll aber nicht alle Probleme lösen können. Ich kann allerdings nach einem halben Jahr intensiver Nutzung nichts von Staub auf dem Sensor berichten. Es sei hier nur genannt.
- Im Dauereinsatz, zumal im Sommer, kann die Ricoh recht heiß werden. Allerdings schaltet sie sich dann von selbst ab, da passiert also nichts. Ist bei mir tatsächlich schon vorgekommen. Allerdings erst ein- oder zweimal.
- Kein Klappdisplay. Stört mich auch überraschend wenig, zumal es ja auch keinen Sucher gibt. Das Display kann jedoch sehr unkompliziert sehr hell gestellt werden und zeigt aus allen Winkeln ein gutes Bild. Aber ja, so ein Klappdisplay wäre natürlich super an der GR IV– wenn es nicht zu klobig ist.
Item Package Dimensions L x W x H | 17.8 x 14 x 10.2 centimeter |
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Package Weight | 0.66 Kilogram |
Item Dimensions L x W x H | 33 x 109 x 62 millimeter |
Item Weight | 257 Gram |
Brand | Ricoh |
Colour | Svart |
Country of Origin | Vietnam |
Has Image Stabilization | Ja |
Max Focal Length | 18.3 |
Min Focal Length | 18.3 |
Model Year | 2019 |
Part number | 15038 |
Size | 28mm |
Max Shutter Speed | 30 Sekunder |
Style | GR III |
Effective Still Resolution | 24.24 MP |
Tillverkare | Ricoh Imaging |
Artikelnummer | Ricoh GR III |
Produktens mått | 3.32 x 10.94 x 6.19 cm; 257 Gram |
ASIN | B07P14DJFZ |